„neuland buchstabieren“ | Diana Jahr über ihr Schreiben & Bloggen
Diana Jahr | Foto: © Heidi Bordach
Seit 2012 betreibt Diana Jahr erfolgreich ihren Blog „verssprünge“ und veröffentlicht dort regelmäßig ihre Gedichte. Im Interview spricht die Autorin unter anderem über ihre Erfahrungen beim Bloggen, wie sie dazukam und was ihr diese Form der Veröffentlichung bedeutet.
Stimmen Sie sich hier im Interview schon auf die Gedichte ein, wenn Diana Jahr einige ihrer Texte vorträgt. Dass die Natur der Dichterin eine wichtige Inspirationsquelle ist, verrät im Übrigen nicht nur das Foto im Grünen. Ob Audio oder Video – auch die dem Interview beigesteuerten Lesungen lassen es sofort erkennen.
„Verssprünge“ – Diana Jahr und ein Blog voller Gedichte
Beginnen wir am besten gleich mit den Fragen zu Deinem Blog: Auf „verssprünge“ lädst Du zum Lesen und Kommentieren ein. Was bedeutet es für Dein Schreiben, wenn Du mit Deinem Publikum auf diese Weise im direkten Austausch stehst?
Nachdem ich nur in Schreibforen „unterwegs“ war, hatte ich mich zunächst gescheut, einen eigenen öffentlichen Blog einzurichten: Hilfe, wie geht das? (Aber bei WordPress, welches mir mein Neffe seinerzeit empfohlen hat, ist es auch für Laien recht einfach) Und: habe ich überhaupt etwas zu sagen? Dazu auch ein kleines Gedicht. Aber schließlich hat mich Mo (Monika Kafka), die du ja auch gut kanntest, davon überzeugt, es zu wagen. Und seitdem blogge ich von Herzen gern!
lange glaubte ich
ich hätte nichts zu sagen
(und schrieb nur für das tagebuch)
inzwischen denke ich
ich habe viel zu sagen
(unsagbares, unerhörtes!)
für dich und für manches reichen die
worte nicht
(dann heißt es neuland
buchstabieren)
© Diana Jahr
Der inspirierte Austausch zwischen Autorin und Leserschaft –
Einerseits macht es Spaß, eigene Texte zu präsentieren, und auch Feedback dazu zu bekommen, andererseits sind die anderen (literarischen) Blogs bereichernd und oftmals auch Inspiration, genauso wie der direkte Austausch mit meinen Leser/innen. Darüber hinaus sind schon private Kontakte entstanden, und ein gemeinsames Buch, „Herzweise. 100 Gedichte der Gegenwart“.
Es ist interessant zu sehen, wie Texte empfunden und wahrgenommen werden, welche Assoziationen ins Spiel kommen. Oft versuche ich, Leser und Leserin quasi einzubinden, auch anzusprechen als mögliches „Du“. In dem Zusammenhang ist mir auch eine Offenheit in Texten wichtig, die für meine Leser/innen Spielraum bietet.
„selbstgespräch“ | © Diana Jahr
Zudem ist es natürlich spannend, welche Texte mehr, welche weniger „ankommen“ und bei wem. Das hält mich aber in keiner Weise davon ab, genau das zu veröffentlichen, was mir am Herzen liegt. Ab und zu ist es vorgekommen, dass Leser/innen das Lyrische Ich mit mir gleichsetzten, was natürlich (fast) nie eins zu eins der Fall ist. Deshalb habe ich einen extra Hinweis hinzugefügt, damit keine Missverständnisse entstehen.
– sowie mit und in der Natur
Klar, ich schreibe über das, was mich bewegt, was mir begegnet – die Natur ist mir zum Beispiel immer Inspiration! Ebenso Menschen und menschliches Miteinander. Aber eben in literarischer Form. Ein weiterer Aspekt ist, dass ich durch das Bloggen immer im Schreibfluss bleibe, heißt, dass ich regelmäßig schreibe, weil ich einfach gern alle paar Tage etwas Neues einstelle. (Trotzdem veröffentliche ich natürlich nicht alles, was ich schreibe.) Das Bloggen ist also in vielerlei Hinsicht für mich sehr bereichernd.
„Der Baum“ | © Diana Jahr
Als literarischer Blog im Deutschen Literaturarchiv Marbach archiviert
Dein Blog wird durch das Deutsche Literaturarchiv Marbach archiviert. Siehst Du Deine Gedichte dadurch anders? Bekommen sie ein zusätzliches Gewicht? Hast Du durch die Institution bei der Veröffentlichung im Netz generell auch mehr Sicherheit vor Plagiaten?
Das Deutsche Literaturarchiv Marbach (DLA) ist die größte Spezialsammlung zur neueren deutschen Literatur. Bücher, aber auch digitale Seiten, wie zum Beispiel Blogs, werden dort archiviert. Wer auch immer einen interessanten literarischen Blog entdeckt, kann diesen dort vorschlagen (auch in eigener Sache).
Was das für mich beziehungsweise für meinen Blog bedeutet? Zum einen ist es natürlich ein schöner Gedanke, dass der Blog archiviert und somit der Nachwelt erhalten bleiben wird. Außerdem denke ich, dass der Blog – viele Weblogs sind ja eher eine Art Tagebuch oder behandeln reale Dinge – als „literarisch“ wahrgenommen und anerkannt wird. Ob die Texte dadurch einen anderen Stellenwert erhalten, sei dahingestellt, höchstens in dem Sinne, dass sie sich dadurch unterscheiden von denen anderer Blogs, wobei es mir weniger um eine Wertung geht als vielmehr um Definitionen.
Die Sache mit den Plagiaten. Nein, ich glaube, davor ist niemand zu hundert Prozent geschützt, der seine Texte im Internet (oder überhaupt?!) veröffentlicht. Dieses Risiko gehe ich aber gern ein, denn meine Gedichte zu zeigen, Menschen damit anzusprechen, ist mir ungleich wichtiger.
„(skizze 2)“ | © Diana Jahr
Freundschaften, die durch das Schreiben entstehen
Du warst mit der Lyrikerin Monika Kafka, die wir beide sehr schätzen, eng befreundet. Nach ihrem viel zu frühen Tod hast Du zusammen mit ihrem Mann Thom Monikas Werk unter dem Titel „Schlüsselworte“ herausgegeben. War Monika auch eine Mentorin für Dich? Würdest Du diese Form der Begleitung auch anderen Dichter/innen wünschen/empfehlen?
Ja, mit Monika war ich eng befreundet. Wir lernten uns 2010 durch das Schreiben kennen, aber schon bald ging die Freundschaft weit über die Verbundenheit durchs Schreiben hinaus. Das Schreiben war aber natürlich immer wieder zentrales Thema, weil es unserer beider Leidenschaft ist beziehungsweise war. Ob ich Mo als Mentorin sah? Jein. Sicherlich hat sie mich mit vielem inspiriert und mir auch wertvolle Anregungen und Tipps gegeben – umgekehrt aber hat sie mir auch ihre Texte gezeigt und wir haben uns gegenseitig Feedback gegeben. Das war eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit.
Monika Kafkas posthum herausgegebener Lyrikband „Schlüsselworte“
Mos plötzlicher Tod vor vier Jahren hat mich schier umgehauen. Kurze Zeit dachte ich, ich könnte nie wieder eine Zeile schreiben. Glücklicherweise hat es sich anders erwiesen, und ich habe letztlich sehr viel genau darüber verarbeiten können.
Das Buch „Schlüsselworte“ mit Gedichten von Mo hat ihr Ehemann Thom posthum herausgegeben, in enger Zusammenarbeit mit mir und einer anderen gemeinsamen Freundin. Auch das war Teil des Abschied-Nehmens. Wobei das so eine Sache ist – denn noch heute frage ich Mo manchmal in Gedanken um Rat.
Solch ein Austausch persönlicher Art ist natürlich sehr bereichernd. Aber so etwas muss sich finden, das Menschliche muss stimmen, man muss auf einer Wellenlänge und „sich grün“ sein, wie das eben bei Freundschaften so ist, und insofern lässt sich so etwas nicht planen, geschweige denn erzwingen.
Durch den Blog habe ich natürlich immer einen gewissen Austausch, der so zwar nicht vergleichbar, aber auch sehr wichtig für mich ist. Mit der Dichterin Gabriele Pflug, die du ja auch kennst, Michaela, pflege ich übrigens seit ein paar Jahren einen steten schriftlichen Austausch, und mit ihr verbindet mich inzwischen eine sehr gute und sehr bereichernde Schreibfreundschaft.
„(skizze 3)“ | © Diana Jahr
Gedichte im Anflug, planvolles Schreiben am Roman
Knappe Gedichte, Gedankensplitter – kurze Texte machen bisher Dein Hauptwerk aus. Inzwischen schreibst Du auch einen Roman. Was reizt Dich an diesem Wechsel der Literaturgattung und wie wirkt es sich auf das Dichten aus?
Ach, Roman ist ein großes Wort. Allerdings eine wunderbare Sache! Sagen wir mal so, es reizt mich außerordentlich, auch etwas Längeres/Größeres zu schreiben, sei es eine Novelle oder einen Roman, einen Kurzroman, egal, wie man es nennen mag. Ich schreibe ja neben der Lyrik auch kleinere Prosa-Stücke und habe hier in der Schublade mindestens zwei angefangene „größere“ Sachen, auch weitere Ideen sind vorhanden. Vor allem eine Idee, die mich schon lange umtreibt, und die mir just wieder in den Sinn kommt, (danke!), werde ich ganz sicher noch weiterverfolgen, vielleicht sogar schon bald. (Mehr möchte ich an dieser Stelle nicht verraten!)
Auf das Dichten wirkt sich das weniger aus, denn Gedichte fliegen mich immer wieder an, auch mitten im Alltag. Das Schreiben an einem Roman ist natürlich allein schon dahingehend etwas ganz anderes, ein viel planvolleres Schreiben, das auch mal Ausdauer und Disziplin erfordert, etwas, was mir nicht ganz so leicht fällt, was ich aber unbedingt schaffen möchte.
Der erste eigene Lyrikband von Diana Jahr: „und nachts wandern die fledermäuse aus“
Zunächst aber wird, so denn alles klappt, in naher Zukunft endlich mein erster eigener Lyrikband erscheinen, worüber ich mich riesig freue.
Desweiteren habe ich schon viel für Kinder geschrieben, auch für meine Tochter (die inzwischen schon 16 Jahre alt ist), was gewissermaßen eine Brücke schlägt zu meinem ursprünglich erlernten Beruf als Lehrerin.
Meine allererste (Print-)Veröffentlichung war in der Anthologie „Im Karussell der Träume“ für jüngere Kinder. Dies ist ein Bereich, den ich auch auf jeden Fall weiterverfolgen und ausbauen möchte. Gerade Lyrik für Kinder finde ich ein ganz spannendes und ja, fantastisches Thema, weil ich denke, dass man über Lyrik Kinder auf einer Ebene erreichen kann, die über „normale“ Geschichten hinausgeht, sprachlich und auch gefühlsmäßig gesehen. Insgesamt fühle ich mich derzeit frisch und bereit für neue Projekte!
„überall schritte, zeichen“ | © Diana Jahr
Zum Schluss möchte ich mich ganz herzlich bei dir bedanken, liebe Michaela, für dieses Interview, das mir riesigen Spaß gemacht hat. Das Beantworten der Fragen war auch eine wunderbare Reflexion für mich, was mein Schreiben betrifft, und hat mir weitere Wege gewiesen oder zumindest wieder ins Bewusstsein gerufen. Danke.
Liebe Diana, ich bedanke mich auch bei Dir sehr herzlich für unsere Gespräche; vor allem auch für das reiche Material, das Du aufgezeichnet hast, um es hier im Blog zur Verfügung zu stellen. Du sprichst mit Deinen Lesungen nahezu alle Sinne an!
Hier nochmals der Link zu Diana Jahrs Blog „verssprünge“.
Nachtrag Oktober 2019: Im Sommer ist der im Interview bereits angekündigte Gedichtband beim Schillo Verlag in München erschienen und in jeder Buchhandlung zu beziehen. Diana Jahr: „und nachts wandern die fledermäuse aus“.
- Diana Jahr ist auch beim Projekt Monatsgedichte als Favoritin vertreten:
Zum Thema Augenblicke: Monatsgedicht Februar 2014 - Das Monatsgedicht „ertrinken“ von Gabriele Pflug lesen Sie hier:
Schwerpunkt Wüste: Monatsgedicht Dezember 2014 - Weitere Interviews finden Sie hier:
Ruth Loosli: „jeder Moment ist einzigartig …“
Jörg Wiedemann: „Rolle rückwärts vorwärts: Schreiben als existenzielle Turnübung“
Anke Gasch: Aufbruchstimmung im Märchenland: „Ein Rock, ein Prinz, ein Drachenherz“