Hommage „An den Kreis“ – das Monatsgedicht für Juni

Kategorien: Projekt Monatsgedichte — Tags: — Michaela Didyk

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Kreis - Monatsgedicht für Juni © k_vohsen freeimages.com

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„Kreise Kugeln Sphären“ – beim sechsten Thema und Monatsgedicht für Juni ging es rund. Vom Punkt bis zur Erdkugel und hinauf zu den Himmelsräumen zog die Lyrik dieses Mal ihre Kreise. Ob Lichtspiegelung, Balance der Kräfte, gleichförmiges Drehen, ob Existenz oder Pulsschlag des Lebens in Rhythmus und Zeit – die eingereichten Texte variierten das Motto, übertrugen mit Pantun und Bildgedicht zyklische Bewegung in poetische Form und ließen auch die abstrakte Malerei Kandinskys nicht außen vor. Für Ruth Loosli, die die Jury beim Monatsgedicht für Juni übernahm, war es das Gedicht Ulrike Brandls, das die „ganze Bandbreite der vorgegeben Thematik“ zum Ausdruck brachte.

…   …..Ulrike Brandl siegt beim Monatsgedicht für Juni

An den Kreis
von Tangente
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… dich berühren,
deinen Radius spüren,
im Kontakt sein
mit dem Ursprung deiner Existenz!
Du ewig runder Kreis!
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Hast es dir leicht gemacht
mit deinem Umweg über die Unendlichkeit!
Hast ganz klein,
mit nur einem Punkt angefangen!
Bist auf Linie geblieben,
bereit zur ewigen Nabelschau!
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Unter uns,
in 3D bist du eine ganz gewöhnliche Kugel,
heißt Mond oder Venus,
wie Milliarden anderer Sterne auch,
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und doch möchte ich …
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© Ulrike Brandl

Berührungspunkte im steten Kreis(en) – Ruth Loosli begründet ihre Wahl

Ruth Loosli aus Winterthur – mehrfach ausgezeichnete Autorin, Stadtschreiberin, Stipendiatin im Literaturhaus Ventspils/ Lettland und Mitglied der Autorinnenvereinigung e.V. – kürte das neue Monatsgedicht.

‚An den Kreis, von Tangente‘, schreibt die lyrische Stimme und entlockt der Leserin damit ein Lächeln. Trotzdem musste  sie noch einmal die Definition von ‚Tangente‘ nachschauen und ja: Es ist die Berührung der geraden Linie auf dem Kreis.

‚… dich berühren‘,
beginnt denn auch das Gedicht – ‚und doch möchte ich …‘  endet der Text und man kann, wie auf einer sich drehenden Kugel gleich wieder von vorn beginnen, der Text als Kugel, als Refrain. Die Metrik, beim Laut lesen, versetzt ebenfalls in eine Stimmung des sich Drehens, des Werdens und der Anrufung: An die Kugel, an einen Planeten oder ganz im Kleinen, an den Punkt, dort, wo alles anfangen kann.

Das Gedicht touchiert denn auch (im besten Sinn) die ganze Bandbreite der vorgegebenen Thematik, ohne geschwülstig zu werden, bleibt sprachlich auf einer gewissen Distanz, lässt sich zwar Ausrufezeichen entlocken, jedoch keine Glitzerkultur.

Das Gedicht fragt nach einem Ursprung und verweist zugleich auf die ewige Nabelschau  – es ist ganz den zentralen Fragen gewidmet, doch mit einem Augenzwinkern, mit einem Hinweis darauf, dass ‚Tangente und Kugel‘ miteinander verbunden bleiben in einem schwebenden Tanz – ohne je eine gültige Antwort finden zu müssen.

Eine Vita – oder Poesie als Möglichkeit, den Dingen auf den Grund zu gehen

Liebe Ulrike, herzlichen Glückwunsch und viel Schwung für die nächsten Kreise, die Du mit weiteren Gedichten ziehst :-)
Lyrik und Philosophie liegen für die Autorin nahe beieinander und die Begeisterung, tiefliegende Verbindungen auszuloten, springt in einem Gespräch mit ihr schnell über.

Von Anfang an war Sprache für mich ein großes Thema. In frühen Jahren war es der Witz, der Reim, das geliebte Tagebuch,
aber auch das Fremdsein in der Sprache.
Später schuf ich mir durch das Schreiben Freiräume, Sprache wurde mein Notnagel, bot mir eine Möglichkeit, mich und die Welt besser zu verstehen.
In der Poesie, dem Faszinosum der Kürze, versuche ich dem Wesen der Dinge auf den Grund zu gehen, sie in ihrer Vielschichtigkeit zu erfassen und sie in ‚Luerik‘ [Anagramm Ulrike] zu übersetzen.
Sie ist für mich Fundus, Rätsel und Herausforderung zugleich.

1951 wurde ich in Erfurt geboren und lebe seit dem Mauerbau 1961 in Westdeutschland. In München habe ich Medizin studiert, bin seit über dreißig Jahren Anästhesistin, behandle jetzt in eigener Praxis Schmerzpatienten, unter anderem auch mit Akupunktur, Hypnose und mit Therapeutischem Schreiben.
Was macht Sprache mit unserem Gehirn?
Ist das nicht eine spannende Frage?