Magret Peper: „Wir haben die Kunst, damit wir nicht an den Realitäten zugrunde gehen“

Kategorien: Autorinnen & Autoren,Interviews — Michaela Didyk

© Magret Peper

Magret Peper, Foto vor der Universität

Magret Peper – in drei Sprachen unterwegs: im Interview hochdeutsch

Magret Peper lebt und arbeitet dreisprachig: plattdeutsch, hochdeutsch und englisch. Sie wurde 1955 auf der Nordsee-Halbinsel Nordstrand geboren und wohnt in Rendsburg, Schleswig-Holstein. Kunst, Sprache und Sprachen sind ihre Leidenschaft. 

Bis 2015 war Magret  Peper national und international im Bereich Kommunikationswissenschaften mit dem Schwerpunkt „Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden“ tätig. Nach dem Beruf kam mit der Entdeckung der Lyrik die Berufung. Um den Worten auch eine visuelle Artikulationsform zu geben, gestaltet sie inzwischen auch Collagen und Monotypien.

Die Vielschichtigkeit einer klaren Sprache

  • Wann hast Du mit dem Dichten begonnen, mit dem Malen und Gestalten der Collagen? Gab es einen Impuls aus Deiner beruflichen Situation oder war es immer schon ein Anliegen, dass Du Dich künstlerisch betätigst? Ist es, da Du ja auch wissenschaflich mit Kommunikationsmethoden gearbeitet hast, eine besondere Form, wenn Du Dich mit Deinen Kunstwerken und Gedichten an ein Publikum wendest?

.Construction Word in Progress

on a red settee
I walk
recollecting compiling
pieces from existence
constructing
tranquil
sagacity

© Magret Peper

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Wenn ich darüber nachdenke, wie ich Erfahrungen und Erlebnisse in ein literarisches Werk übertragen kann, bleiben davon zwischen Fakt und Fiktion,  – als ein persönliches Credo – formuliert:

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in allem was
ist
etwas anderes
möglich

© Magret Peper

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Worte sind ja bei jedem Menschen mit unterschiedlichen Erfahrungen verknüpft. Mein Ziel ist, mit wenigen Worten viele Gedanken auf den Weg zu bringen, nicht etwas für meine Mitmenschen sondern mit ihnen zu erschaffen, ihnen die Möglichkeit zu geben, einen eigenen Gedankenraum aufzubauen und den Sinn in konstruktivistischem Sinn individuell zu er/finden. Ich gehe davon aus, dass es eine Realität nicht gibt, die für alle gleich ist. Es fasziniert mich, wie Realitäten geschaffen werden und wie Worte mit einer annähernd gleichen Bedeutung ganz andere Nuancen ins Spiel bringen können. Daher gehören zu meinen Lieblings-Webseiten die Synonym-Suchseiten.

Ich suche, Vielschichtigkeit mit einer klaren Sprache zu schaffen.

Die Möglichkeit eigener Gedankenräume

.Where Light Lives

the revolving doors
have slowed down
long enough

for the dark side
to be revisited.
I learn to find

a glimmer in a house
where barns are filled with grain
pantries with preserves

where rooms release
their scent of wellknown
words

while wanderlust grows
from all the windows
I learn to write.

© Magret Peper

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Dieses Gedicht ist meine Antwort darauf, wie Schreibende und Lesende Sinn (und Licht) in ihr Wissen und in ihr Leben bringen. Als Bauerntochter hatte ich das Bild eines gut sortierten Bauernhauses vor Augen, das sich auf den Winter – in jedem Sinne – vorbereitet.

Die Sprache meiner Arbeiten ist vielleicht ein Resultat meiner norddeutschen Herkunft, ganz sicher aber auch auf meine berufliche Tätigkeit in aller Welt zurückzuführen: kurz, konkret, verdichtet, bilderreich.

Die eine Sprache und die andere: Platt und Englisch

  • Ich bin … eine Übersicht in Gedichten  [Amazon-Link] lautet ein Buchtitel von Dir. Welche Ich-Anteile – „pieces from existence“, wie Du sie im ersten Gedicht oben erwähnst – kommen zusammen, wenn Du in verschiedenen Sprachen dichtest, nämlich in Platt, Hochdeutsch und Englisch?
    Wie wechselst Du die Sprachen? Weißt Du einfach, jetzt schreibe ich in Englisch oder kommen Dir Gedichtzeilen in Platt in den Sinn? Vermischen und erweitern sich auch Formen und poetische Gestaltungsmöglichkeiten, die Du von einer Sprache in die andere überführst?

Die Wahl der Sprache hängt von der Wahl des Textes ab. Haiku finde ich ebenso geeignet für die plattdeutsche Sprache wie für das angelsächsische Erbe innerhalb der englischen Sprache.

Wenn ich versuche, vom Plattdeutschen ins Englische zu übersetzen, klappt das gut, weil das formale Inventar einander gleicht, solange ich konkret bleibe. Zum Beispiel verwende ich kaum Komposita: Nachhauseweg – de Wech na Hus, the way home; Dauerregen – pouring rain, dat regent und regent.
Im Fall der Verlaufsform verhält es sich ähnlich: Er pflügt gerade – he is ploughing, he is bi an´t Plögen.

Magret-Peper-Haiku-Vergleich-plattdeusche-und-englische-Sprache

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Gern versuche ich, die Sprachen gleichberechtigt nebeneinander zu stellen und zu schauen, ob ihre Nachbarschaft die Bedeutung einer Aussage verstärken kann.

Das Nicht-Eindeutige und Komplexe aushalten lernen

  • Zur Kommunikation gehört auch das Zuhören und Lesen – und Du bist seit vielen Jahren in der Leseförderung engagiert. Wie siehst Du die aktuelle Diskussion, in der wieder das langsame, konzentrierte Bücherlesen in den Fokus rückt? Kannst Du aus Deiner Erfahrung der Leseförderung Veränderungen erkennen? Letztlich auch für die Kommunikation?

Gedichte brauchen wir gerade in Zeiten des Populismus dringend. Den Umgang mit Mehrdeutigkeit, Vielschichtigkeit und Perspektivität, offen zu bleiben für das Nicht-Eindeutige und Komplexe und es auszuhalten: Das kann das Lesen von Gedichten lehren.

Keen Tied, keen Tied

Eine große Suppenterrine auf dem Küchentisch

leer, das Zwiebelmuster rissig, der Deckel umgedreht.
Über der Haustür des Bauernhauses

eine verwitterte Holzplatte:
Et gah uns wohl up unse olen Dage.
Die Außenlampe gibt ein schwaches Licht ab.

Die Vögel sind verstummt.
In hastigen Trippelschritten läuft ein Sanderling
am Rand des auflaufenden Wassers entlang.
Am Meer klagen Weiden um verlorenes Land.
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© Magret Peper

Lesen als Lebenshilfe

Wir haben die Kunst, damit wir nicht an den Realitäten zugrunde gehen. Lesen und Kunst – angeschaute und selbstgemachte – sind für mich Therapie. Schwierige Zeiten im Leben habe ich unter anderem dadurch überstanden, dass ich abgetaucht bin: in ein anderes Land, eine andere Zeit, eine andere Person. Oder indem ich mich wiedergefunden habe: Anderen ist es auch so ergangen!

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ich lese
sehweisen auf
ich lebe
in tausend räumen in denen
fenster bücher sind

© Magret Peper

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C. S. Lewis hat wunderbar formuliert: We read to know we are not alone. Das habe ich meinen Kindern mitgegeben und jetzt versuche ich, es auch meinen Enkelkindern schmackhaft zu machen. Als das erste Enkelkind geboren wurde, verpflichtete ich mich, jedem zum Geburtstag und zu Weihnachten jeweils ein Buch zu schenken. Da ahnte ich noch nicht, dass es acht Enkelkinder werden würden …

Ich bin so jedenfalls gut informiert im Thema Kinder- und Jugendbuch. Als Rotarierin unterstütze ich das Projekt Lesen lernen – leben lernen, mit dem wir das Lese- und Sprachverständnis von Grundschulkindern fördern.

Die besondere Sprache der Collage

  • Neben dem oben schon erwähnten Gedicht-Band hast Du auch das Gegenstück Ich bin … eine Übersicht in Bildern veröffentlicht. Ist es eine besondere Sprache und Kommunikation, wenn Du Dich mit Deinen Kunstwerken, in denen Du oft auch Gedichtzeilen oder Sprachfragmente einarbeitest, an ein Publikum wendest?

Bei meinen Collagen steht am Anfang das Sammeln. Ich füge unterschiedliche Einzelteile aus den Überbleibseln alter Welten zusammen. Da ist das Geschenkpapier, in das die Freundin die Weihnachtspost eingewickelt hat, das Bild, das die Enkeltochter gemalt hat, die Schlagzeile, über die man nur den Kopf schütteln kann, das Foto eines Gemäldes, das sich im Kopf eingenistet hat. Fragmente, die einen Teil des täglichen Lebens gestalteten und nun unter dem Blickwinkel von Erneuerung und Recycling ein neues Leben und eine besondere Würdigung erfahren sollen.
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Magret-Peper-Collage-o.T.-2013-schwarze-Schttenfigur -mit-hell-bis-dunkelgruener-Landschaftsflaechen-verschmolzen-die-mit-weissen-Flecken- durchzogen-sind

© Magret Peper, o.T., 2013
Collage – Farbe, Papier auf Papier, 21 cm x 29,7 cm
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Die verschiedenen Materialien bewahren absichtsvoll die Spuren ihrer Herkunft. Auch hier gibt es ein Spannungsverhältnis: Betrachtende suchen in dem Arrangement nach einem Sinn. Gleichzeitig wird ihre Aufmerksamkeit auf das Konstruktionsprinzip gelenkt.

Die Lektüre von Magret Peper auf einsamer Insel

  • Ich bin … eine Übersicht in Büchern – so könnte ich vielleicht meine abschließende Frage einleiten: Welche drei Bände würdest Du nämlich auf die berühmte einsame Insel mitnehmen oder welches Verszitat ist auch schon in Deinen Collagen und Gedichten zu finden?

Auf eine einsame Insel (gibt es die noch??) würde ich James Joyce, Ulysses und Theodor Fontane: Der Stechlin mitnehmen. Dazu das von Heinrich Detering herausgegebene Reclams Buch der deutschen Gedichte: Vom Mittelalter bis ins 21. Jahrhundert. Und wahrscheinlich würde ich dann sofort beginnen, darüber nachzudenken, welche Gedichte ich verändern, kürzen, übersetzen könnte und dazu Collagen erstellen.

  • Ich danke Dir herzlich für unser Gespräch!

Auf der Website von Magret Peper finden Sie noch weitere Gedichte, Collagen und Fotos. Bei den Kalendergedichten im Advent 2018 ist sie mit dem Titel Mein Mond und ich teilen plus einer Collage vertreten.
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