Gabriele Pflug gewinnt das Monatsgedicht im Dezember

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Subtile Bilder einer Wüstenlandschaft

Das Monatsgedicht im Dezember stand unter dem Motto „Wüste“. Gabriele Pflugs Gedicht hat unter den „nahezu durchgängig recht ambitioniert[en]“ Texten Juror Christoph Leisten in der „einerseits unaffektierten, andererseits doch auch recht subtilen Bildlichkeit am meisten überzeugt“.
Herzlichen Glückwunsch nach Österreich, liebe Gabriele!

ertrinken
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…………….für monika kafka
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du schaukelst auf gekörntem meer
die finger des winds zeichnen wellen
weizenfarbig und heiß wächst dein schlaf

glühend schlägt dein atem ans glas der luft
und deine stimme verglimmt

auf deiner haut verteilt der wind
das brandmal der sterne

ein geruch von angst schlägt an
wie ein hund dem die kette
den hals zuschnürt

nicht lange wird es dauern
und dich verschluckt der sand

erst unter seiner oberfläche
werden die gesänge der reibung

enträtselt
.
© Gabriele Pflug

Gabriele Pflugs Gedicht „ertrinken“ – ein Text mit poetologischer Dimension

Christoph Leisten, selbst Autor und Mitherausgeber der Frankfurter Literaturzeitschrift „Zeichen & Wunder“ sowie Initiator der euregionalen „Tage der Poesie“ in Würselen, begründet im Folgenden seine Entscheidung. Die Begegnung mit der maghrebinischen Welt ist einer der literarischen Arbeitsschwerpunkte des Jurors. Die Wüste als Thema für das Monatsgedicht im Dezember ist ihm bestens vertraut.

Das Gedicht wählt ein Thema, dessen poetische Ausarbeitung leicht verunglücken könnte: Zu häufig ist uns das Bild des „Ertrinkens in der Wüste“ wohl schon begegnet, als dass es vorderhand dichterischen Mehrgewinn verspräche. Dass dieses Poem dennoch auf bemerkenswerte Weise gelingt, verdankt sich vor allem seiner beachtlichen Bildlichkeit.

Konsequent wird die Metaphorik des Ertrinkens im Wüstensand weitergedacht in eine Reihe paradoxaler Sprachbilder. Ausgehend von „gekörntem meer“ (V. 1) über „die finger des winds“ (V. 2) , „das glas der luft“ (V. 4) und das „brandmal der sterne“ (V. 7) bis hin zu den „gesängen der reibung“ (V. 14) bedient sich das Gedicht einer Reihe von Metaphern, in denen das Naturhafte oszilliert zwischen Anthropomorphem und Artifiziellem.

Altvertraute Bilder gegen den Strich gebürstet

Das „Ertrinken“ wird dabei zu einer seitens der Natur Schritt für Schritt evozierten, zunehmenden Sprachlosigkeit ausgedeutet. Während der – freilich als fremdartig und gefährdend erlebten, weil wüstenhaften – Natur die Fähigkeit des [Z]eichnen[s] V. 2) mittels der „finger des winds“ (ebd.) eignet, verliert das angesprochene Du (das als Ansprache eines Gegenübers, aber auch als Selbstansprache verstanden werden kann) zunächst sein Bewusstsein (vgl. V. 3), bevor „[s]eine stimme verglimmt“ (V. 5) und es schließlich „verschluckt“ (V.12) wird vom Sand.

Nicht nur in der Verwendung von Genitivmetaphern (die ja bekanntlich bis vor kurzer Zeit dichterisch schwer verpönt waren), sondern auch in seiner behutsamen Anspielung auf alltagssprachliche Wendungen (etwa die des Ertrinkens, die des Verschlucktwerdens) operiert das Gedicht mit den Gefährdungen durch das Konventionelle. Dass es dabei aber keineswegs scheitert, liegt daran, dass es diese altvertrauten Bilder durchgängig mit einer sehr plastischen und durchaus eigenständigen, überraschenden und bereichernden Bildlichkeit überschneidet.

Literatur als Wagnis

Es sind eben gerade die Phänomene unterhalb der „oberfläche“ (V. 13), welchen es vorbehalten bleibt, „die gesänge der reibung“ (V. 14) zu „enträtseln“. Jenseits der allgegenwärtig drohenden Sprachlosigkeit ist es demnach die Natur selbst – ungeachtet all ihrer Unwirtlichkeit – der es vorbehalten bleibt, die Wirklichkeit auszudeuten. Insofern eignet dem vorliegenden Gedicht – und darin liegt seine eigentliche Qualität – auch eine poetologische Dimension, die nicht zuletzt auch in der subtilen Anspielung auf Paul Celans „Brandmal“ zusätzlich unterstrichen wird. Literatur als Wagnis, das einer stetigen Gefährdung ausgesetzt ist: Dies führt das vorliegende Gedicht mittels Bildern der Wüstenwelt und in eindrucksvoller Metaphorik vor Augen.

Das Monatsgedicht im Dezember als Widmung an die Mentorin

In einem unsrer letzten Gespräche erzählte mir Monika Kafka (Mo) von Gabriele Pflug, wie sehr sie ihre Gedichte schätze und ihr mehr Öffentlichkeit wünsche. Dass Monika sich über den Gewinn sehr gefreut hätte, darüber sind sich Gabriele und ich einig. Wie eng die beiden Dichterinnen verbunden waren, zeigte mir erst Gabrieles Vita, die sie mir für das Monatsgedicht im Dezember schickte.

1956 in Klam bei Grein geboren, machte ich nach der Matura die Ausbildung zur Sozialarbeiterin und Lehrerin.
Seit über 30 Jahren unterrichte ich in einer Musikmittelschule 10- bis 14-Jährige in Deutsch und Geschichte.
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Die erste Frau, die meine Liebe zu Geschichten erweckte, war meine Großmutter. Sie war es, die mich zur Arbeit aufs Feld mitnahm und mich in die Geheimnisse der Pflanzen einweihte.
Sehr früh fing ich an Tagebuch, später erste Gedichte und Kurzgeschichten zu schreiben.
Vor einigen Jahren begann ich in einem Schreibblog weiter an meinen Gedichten zu arbeiten.

Dort lernte ich die zweite Frau kennen, die mein Schreiben beeinflusste und bereicherte.
Monika Kafka wurde meine Freundin und Mentorin.
Sie war es, die meine Gedichte auf ihrem Blog veröffentlichte und die mich bestärkte, Gedichte einzusenden.
In der Federwelt wurde daraufhin 2013 mein erstes Gedicht veröffentlicht.
Mos Tod löste in mir eine große Leere aus.
Doch bald nahm ich das Schreiben wieder auf und alles, was ich seither verfasse, schreibe ich in ihrem Namen.
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Ja, Mo hätte sich sehr darüber gefreut.
Ihr widme ich auch mein Gedicht!

Mit dem folgenden Link gelangen Sie zum Schreibblog von Gabriele Pflug: „Zichorie Zauber“