Sprachspuren 1: Der Geist der Verneinung

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Sprachspuren nannte ich die Serie, die ich vor Jahren im Newsletter einer Kollegin schrieb. Aufmerksam zu werden, wie wir, auch im Alltag, Sprache einsetzen, – das war das Anliegen und ist es auch heute, wenn ich im eigenen Blog die Idee wieder aufgreife. Wer, wenn nicht gerade Lyriker/innen, setzt sich mit den Feinheiten der Sprache auseinander, um den Raum hinter den Worten zu erkunden.

Zum Neustart der Sprachspuren stellt sich Ihnen der  „Geist der Verneinung“ vor. Er führt in eine Einbahnstraße, glauben Sie? Dann lesen Sie weiter und machen Sie die Probe aufs Exempel.

Denken Sie nicht an den Elefanten!

Wer mit Aufforderungen und speziell mit Autosuggestionen arbeitet, weiß: Positiv formuliert sollen die Sätze sein, die man (sich) vorsagt. Sonst verkehren Sie sich ins Gegenteil und gehen als Schuss nach hinten los. Ich will nicht schon wieder zu spät kommen. Unser Gehirn „streicht“ das Nein. Was gelöst werden soll, kommt durch die Hintertür wieder zum Vorschein. Oder haben Sie den Elefanten wirklich ausgeblendet?

Doch nur positiv denken und formulieren? Wie sähe ein Sprachalltag ohne nicht und nein aus? Versuchen Sie es für eine halbe Stunde. Wäre Bezugnahme aufeinander möglich, Abgrenzung? Was gilt überhaupt alles als Verneinung? Gehört auch der Gegensatz dazu? Würde Ihnen ohne Nein etwas fehlen?

Die Vielfalt der Verneinung

In meinen Lyrik-Werkstätten gibt es eine einfache Übung, die sich genauso auf einen Zeitungsartikel oder eine Romanpassage anwenden lässt. Ändern Sie alles in die Negativform um, lautet der Schreibimpuls.

Es erstaunt immer wieder, wie viele unterschiedliche Texte aus einer einzigen Vorgabe entstehen. Wird schön beispielsweise zu unschön oder bleibt es nicht schön? Ist es hässlichabstoßend oder ganz und gar widerwärtig?

Der „Geist, der stets verneint,“ hat vielerlei Abstufungen zur Auswahl. Um zu einem positiven Bild zu gelangen, braucht es oft erst den Umweg der Trennung und Verneinung. Denn häufig wissen wir schneller, was wir nicht wollen. Auf ein Nein zu verzichten, würde daher ein Stück Weg abschneiden, der uns aus Undefiniertem zur Präzision führt – und uns schließlich im positiven Bild das Ziel vorgibt.

Die Dichterin Marie Luise Kaschnitz zeigt im umkreisenden Denken solches Zu-sich-Kommen und Gebären. Das Nichts erweist sich als Fülle und dialektisches Prinzip, das Antwort sucht:

Nicht gesagt
Was von der Sonne zu sagen gewesen wäre
Und vom Blitz nicht das einzig Richtige
Geschweige denn von der Liebe.
[…]
Aber wer bin ich daß

Marie Luise Kaschnitz (1901-1974) *

Auf lyrikline können Sie das Gedicht in voller Länge lesen und vor allem von der Dichterin selbst vorgetragen hören. * Das Zitat hier aus: Nicht gesagt. Kaschnitz, Marie Luise: Gedichte. Insel Verlag. Frankfurt am Main 2002. S. 161

Bücher, die bei diesem Schreibimpuls garantiert inspirieren

Unter dem Stichwort Antonyme finden Sie auch Bücher, die Ihnen die Vielfalt von Verneinung und Gegensatz aufzeigen. Ein Standardwerk ist das von Erich und Hildegard Bulitta zusammengestellte Wörterbuch der Synonyme und Antonyme. Von Christiane und Erhard Agricola stammt der in der Dudenreihe erschiene Band Wörter und Gegenwörter.

Mit beiden Nachschlagewerken haben Sie problemlos Wörter über Wörter zur Hand. Wie war das mit Verneinung und Gegensatz, die auch die Silbe -los einschließen? Gibt es also doch Probleme mit dem Wortschatz? Wenn, dann mit der Fülle, die Ihnen zur Auswahl steht :-)

Lassen Sie sich bei Ihrem Dichten auch hier inspirieren: