Werner K. Bliß und seine Hommage an Cy Twombly

Kategorien: Projekt Monatsgedichte — Tags: — Michaela Didyk

Cy Twombly und lepanto gewinnen beim Monatsgedicht Kunst und Skulptur. Das gezeigte Aquarell Paul Klees lud zum Wettbewerb ein.

Paul Klee: „Einst dem Grau der Nacht enttaucht“ Aquarell 1918)

„lepanto“ als Favorit beim Monatsgedicht-Thema „Kunst und Skulptur“

Als Werner K. Bliß mir bei einem München-Besuch erzählte, dass er im Museum Brandhorst Cy Twomblys Zyklus „Lepanto“ anschauen wolle, bat ich ihn, ein Gedicht dazu zu schreiben. Ich hatte gerade mit meinem eigenen Lyrikkurs im Museum die ersten Erfahrungen gemacht und war neugierig auf alle Art von Lepanto-Gedichten.

Zur damals an sich schon runden Version schickte Werner Bliß nun gut ein Jahr später zum Monatsgedicht eine neue Fassung. Das passt genau zur folgenden Stelle aus Klaus-Peter Busses neu erschienenem Band „o.T. Über Cy Twombly“ [Amazon-Link]:

„Der Umgang mit dem Bild ist von Beginn seiner Entstehung bis zu seiner Rezeption […] selbst eine fortwährende Übermalung oder eine Schichtung. Der Betrachter malt gewissermaßen an dem Bild mit, das ihn beschäftigt.“ (S. 22) Um wieviel mehr gilt dies noch für einen Betrachter, der schreibt und das Ergebnis seiner Mitarbeit auch für andere sichtbar festhält.

.

lepanto

am anderen morgen diese
farbenpracht beinahe ein
bild des friedens
wären da
nicht

fahnenteile
holzplanken
ruderschaufeln
lederriemen
blutrot begrenzt
ein arm der nicht
fuß fassen will
haarbüschel

ein stück kommandobrücke
im lichten dunst
landeplatz einer lachmöve
.
Werner K. Bliß
[inzwischen veröffentlicht in Werner K. Bliß: „Gekämmte Zeit“. © Pop Verlag Ludwigsburg 2019]

Cy Twomblys Bild wird Literatur – das Urteil der Jurorin Viktoria Frysak

„Die Entscheidung ist klar für mich. The winner is: 8, lepanto“, schrieb mir die Wiener Verlagsleiterin und Philosophin Viktoria Frysak in ihrer Antwortmail mit der Urteilsbegründung:

Ein Kunstwerk erscheint mir immer dann gelungen, wenn es neue Gedanken anstößt, einen Eindruck hinterlässt, irgendeine Art der inneren Beschäftigung nach sich zieht.

Das aktuelle Monatsgedicht war diesbezüglich doppelt spannend: Zunächst muss ein gegenständliches Kunstwerk einen Menschen derart in seinen Bann schlagen, dass er bereit ist, in Anlehnung daran ein literarisches Kunstwerk zu schaffen. Das Geschriebene muss dann seinerseits als eigenständiges Kunstwerk existieren und seine Wirkung entfalten können. Darüber hinaus muss es jedoch auch irgendeine Art der Rückbindung an das Ausgangswerk enthalten.

„Lepanto“ hat mit seiner Eigenständigkeit ebenso überzeugt wie mit seinem Zusammenhang. Der Text eröffnet einen interessanten Blick auf die Bilder Cy Twomblys, er lenkt die Aufmerksamkeit auf ungesehene Aspekte. Zugleich enthält das Gedicht eine ganz eigene Aussage.

Sprache und Aufbau des Gedichts „lepanto“

Seine Sprache ist unaufdringlich und nachdrücklich: Gewaltige Worte, die sofort Bilder erstehen lassen, deren Eindringlichkeit subversiv wirkt, ohne damit in die Nähe der Platitüde zu kommen.

Der Rhythmus des Gedichts trägt zur Wirkung der Worte bei. Die Wahrnehmung wechselt von der beschaulichen Szenerie zur Dissektion. Dieser Umbruch ist sprachlich, rhythmisch und inhaltlich konzipiert. Im dritten Schritt wird die Wahrnehmung zurück in eine – nur vermeintliche? – Beschaulichkeit geführt.

Die Dreiteilung des Gedichtes zeichnet einen Weg, der vielleicht die Dialektik aller Veränderung im Feld von Vergänglichkeit und Neubeginn zum Thema hat …

Der glückliche Gewinner dieser Runde weiß noch gar nichts von seinem Erfolg. Telefonbeantworter und Mailbox warten auf die Heimkehr des Urlaubers. Dennoch: einen herzlichen Glückwunsch in den Schwarzwald!

Die Zusammenarbeit mit Künstlerinnen und Künstlern

Werner K. Bliß kennt beides: das Schreiben, ob Lyrik oder Erzählwerk, und das Malen, Zeichnen oder auch Herstellen von Collage und Skulptur. Immer im regen Austausch mit Künstlern finden sich viele seiner veröffentlichten Gedichte in Katalogen. Seine Texte ergänzen unter anderem Kunstwerke von Armin Göhringer oder Marianne Hopf.

Der Lyriker, 1950 geboren und von Beruf Pädagoge in Hausach/Schwarzwald, ist in Theo Breuers siebenter handgeschriebener Anthologie Vulkan Obsidian genauso vertreten wie digital bei Lyrikmail oder Fixpoetry.
.
Vor „lepanto“ war Werner K. Bliss bereits mit seinem Gedicht „restposten“ Sieger beim
Monatsgedicht im Januar 2010.